Angeborene Fehlbildungen der oberen und unteren Harnwege sowie Fehlbildungen des Genitaltraktes kommen in bis zu 8,5% bzw. 5,5% der Neugeborenen vor. Das Spekrum dieser Fehlbildungen ist sehr breit gefächert, ebenso wie die möglichen Folgen für die Entwicklung des Kindes.
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Hier haben wir einige der wichtigen urologischen Krankheitsbilder beim Kind zusammengestellt.
Vesiko-uretero-renaler Reflux
Vesiko-uretero-renaler Reflux bezeichnet den Rückfluss von Urin aus der Harnblase in den Harnleiter und das Nierenbecken.
Nach Heikel und Parkkuleinen werden 5 verschiedene Refluxgrade unterteilt:
- Grad 1: Reflux erreicht das Nierenbecken nicht.
- Grad 2: Reflux erreicht das Nierenbecken, keine Erweiterung des Hohlraumsystems.
- Grad 3: Leichte oder mäßige Erweiterung des Hohlraumsystems. Nierenkelche normal oder leicht verplumpt
- Grad 4: Mäßige Erweiterung des Hohlraumsystems, Nierenkelche verplumpt. Impressionen der Papillen noch sichtbar.
- Grad 5: Massiver Reflux mit ausgeprägt dilatiertem und geschlengeltem Ureter sowie dilatierten Nierenbecken und Nierenkelchen.
Neben dem Refluxgrad sind die Lage der Harnleitermündungen (Ostienlage) und das Aussehen (Morphologie) der Harnleitermündungen (Ostien) (normales, schlitzförmiges Ostium, Stadion-, Hufeisen- und Golflochostium) ein Therapie mitbestimmendes Kriterium. Die Lage wird von normal a) bis stark nach außen verlagert d) angegeben. Folge des Refluxes können Nierenfunktionsverlust sowie Bluthochdruck (renal bedingte Hypertonie) als Ausdruck einer Schädigung des Nierengewebes nach wiederholten Entzündungen (Pyelonephritiden) sein.
Diagnostik
Wiederholte Harnwegsinfekte bedürfen der weiteren Abklärung. Hochfieberhafte Harnwegsinfekte mit Flankenbeschwerden sind Zeichen einer Nierenbeteiligung. Ein vesiko-uretero-renaler Reflux kann sich auch durch einen Bluthochdruck, Nierenfunktionsverlust oder eine Wachstumsretardierung bemerkbar machen. Die weitere Abklärung beinhaltet Patientenbefragung, körperliche Untersuchung, Urinbefund, Blutwerte, Röntgenuntersuchung (Miktionszysturethrogramm, MCU) und die Sonographie. Das MCU kann erst nach Infektsanierung durchgeführt werden. Neben der Klassifikation des Refluxes erlaubt das MCU auch die Beurteilung der Blasenform sowie die Beurteilung der Harnröhre. Alternativ kann der Refluxausschluss auch sonographisch (MCS) erfolgen. Manchmal sind funktionelle Untersuchungen der Harnblase notwendig. Die Nierenszintigraphie mit MAG-3 bzw. DMSA erlaubt die Beurteilung der Nieren und seitengetrennten Funktion des oberen Harntraktes. Die endoskopische Untersuchung der Harnleitermündungen und deren Lage erfolgt in Narkose mit der Bereitschaft zur operativen Korrektur. Liegt eine eindeutig Störung in Form und Lage vor, so ist die Chance auf spontanes Ausheilen des Refluxes (Maturation) gering. Für die operative Refluxkorrektur ist damit das Aussehen der Harnleitermündungen von größerer Bedeutung als der Refluxgrad.
Konservative Therapie
Grund für die konservativ-medikamentöse Therapie des vesiko-uretero-renalen Refluxes ist die Möglichkeit des spontanen Ausheilens des Refluxes (Maturation) unter Infektprophylaxe innerhalb der ersten 6 Lebensjahre in Abhängigkeit vom Reflexgrad in etwa 40%. Voraussetzung für eine konservative Langzeittherapie bzw. Infektprophylaxe ist das Ausbleiben von so genannten Durchbruchsinfektionen (Pyelonephritis trotz Antibiotikaprophylaxe).
Mit zunehmendem Lebensalter wird die Wahrscheinlichkeit eines spontanen Ausheilens des Refluxes geringer. Die Infektionsprophylaxe kann daher auf das 6. Lebensjahr begrenzt werden. Mittel der Wahl sind Nitrofurantoin- und Sulfonamid-Präparate in niedriger Dosierung.
Endoskopische Therapie
Derzeit muss die endoskopische Therapie weiter mit Zurückhaltung betrachtet werden. Erste Ergebnisse mit Deflux-Unterspritzungen (Dextranomer/Hyaloronsäure-Copolymer (Deflux)) scheinen gerade bei niedriggradigen Refluxen vielversprechend. Langzeitergebnisse stehen hierzu jedoch noch aus.
Operative Therapie
Durch erfolgreich operative Refluxkorrektur ist das Risiko weiterer Harnwegsinfektionen minimiert. Zur Beseitigung des unkomplizierten Refluxes im Kindesalter hat sich die offene Operation mit einer Erfolgsquote von 95-98% bewährt. Bei beidseitigem Reflux sollte zur Vermeidung einer Blasenfunktionsstörung ein zweizeitiges Vorgehen mit einem freien Intervall von 3 Monaten gewählt werden. Laparoskopische Methoden haben sich bisher noch nicht durchgesetzt.
Sekundärer Reflux
Der sekundäre vesiko-uretero-renale Reflux kann Folge anderer Erkrankung sein. Auch ist es möglich, dass eine direkte Schädigung der ehemals intakten Harnleitermündung vorliegt. Diagnostik und Therapie der auslösenden Grunderkrankung stehen beim sekundären Reflux naturgemäß im Vordergrund.
Nachsorge
- Kontrolle des oberen Harntraktes durch Sonographie
- Blutdruckkontrolle bis ins Erwachsenenalter
- Regelmäßige Urinkontrollen
- Bei Auftreten eines fieberhaften Harnwegsinfektes Kontroll-MCU
Maldescensus testis (Hodenhochstand)
Die Häufigkeit des Hodenhochstandes nach dem 1. Lebensjahr wird mit ca. 2% angegeben. Man unterscheidet dabei zwischen verschiedenen Formen des Hodenhochstandes bzw. der Hodenfehllage: Mit ca. 60% ist die Hodenfehllage in der Leiste die häufigste Form. Der Hoden liegt dabei im Leistenkanal und kann getastet und sonographisch erfasst werden. Sonderform sind die Gleit- und Pendelhoden. Durch einen zu kurz angelegten Samenstrang wird der Gleithoden nach dem Ausstreifen aus dem Leistenkanal in seine alte Position zurückgezogen. Beim Pendelhoden führen verstärkte Muskelfasern des Samenstranges zur Retraktion des eigentlich richtig liegenden Hodens.
Diagnostik
Die Diagnostik beim Hodenhochstand umfasst neben der klinischen Untersuchung die Sonographie. Bei Hodenfehllage im Bauchraum kann mit der Magnetresonanztomographie eine Treffsicherheit von ca. 90% erreicht werden. Besteht der Verdacht auf eine derartige Fehllage so ist die Laparoskopie indiziert. Hierbei wird der Hoden in seiner Position erfasst und in Kombination mit dem Operationsverfahren nach Fowler-Stevens (Durchtrennung der Hodengefäße) in den Hodensack platziert oder für eine mikrochirurgische Autotransplantation vorbereitet. Sind beide Hoden nicht tastbar, sind Hormontests einer operativen Exploration vorzuschalten.
Therapie
Das Ziel der Therapie ist das Erreichen einer regelrechten Lage des jeweiligen Hodens spätestens bis Ende des 1. Lebensjahres. Damit soll eine bleibende Schädigung des betroffenen Hodens vermieden werden. Bei Hodenhochstand bzw. -fehllage kann eine Hormontherapie im ersten Lebensjahr angewendet werden. Diese ist wegen ihres Einflusses auf die frühkindliche Endokrinopathie sowie auf die Keimzell- und Nebenhoden-Entwicklung sinnvoll. Bei der Hormontherapie kann sowohl humanes Choriongonadotropin (HCG) als intramuskuläre Injektion als auch Luteinisierungshormon-Releasinghormon (LH-RH) als Nasenspray angewendet werden. Die Erfolgsquote bei beiden hormonellen Behandlungsformen beträgt ca. 30%. Neuere Studien belegen, dass die kombinierte Behandlung von Vorteil gegenüber der Einzeltherapie ist. Bei erfolgloser Hormontherapie ist die operative Freilegung des jeweiligen Hodens mit Lösung des Hodens und des Samenstrangs aus der Umgebung (Orchido-Funikulolyse) sowie die anschließende Fixation des Hodens im Skrotalfach (Orchidopexie) indiziert. Hierbei wird von einem Leistenschnitt der Samenstrang nach Eröffnung des Leistenkanals dargestellt. Zusätzliche Veränderungen wie Leistenbrüche bzw. eine offene Verbindung zur Bauchhöhle können in gleicher Sitzung versorgt werden. Bei unzureichender Länge des Samenstrangs (Funiculus spermaticus) kann die Operationsmethode nach Fowler-Stevens (Durchtrennung der Hodengefäße) angewendet werden. Zudem besteht die Möglichkeit der Autotransplantation des Hodens durch mikrochirurgische Anastomose der Hodengefäße mit Gefäßen der Bauchdecke.
Hypospadie (Harnröhrenfehlmündung)
In Bearbeitung.